Benjamin Singh, Geschäftsführer der Food Freshly AFC GmbH aus Bielefeld, stellte in seinem Vortrag auf dem European Convenience Forum 2022 in Bonn die Unterschiede zwischen dem größten Fresh-Cut-Markt der Welt in den USA gegenüber dem deutschen Markt dar. So liege die durchschnittliche Pro-Kopf-Ausgabe deutscher Verbraucher im LEH für Fresh-Cut-Produkte bei ca. 3,78 Euro und in den USA bei etwa 20,78 Euro.
Die Gesamtgröße des US-Fresh-Cut-Marktes ist seit 1990er-Jahren auch rasant angestiegen. Konnten 1994 noch 2,6 Mrd. USD pro Jahr erzielt werden, liegt der Umsatz mittlerweile bei etwa 15 Mrd. USD. Besonders im Obstbereich seien die Fresh-Cut-Anteile von 2005 auf 2015 auf fast das Doppelte angestiegen. Generell zeige sich im LEH, dass der Fresh-Cut-Anteil für Fresh-Cut-Salate, Obst und Gemüse in den USA bei etwa 50 Prozent für Salate liegt, während in Deutschland Fresh-Cut-Salate 80-90 Prozent des Gesamtumsatzes für Fresh-Cut belegen.
Marketingstrategien und Ideen für den deutschen Markt
Singh beobachtet, dass es in den USA ein Netzwerk an positionierten Marken gibt, denen die Verbraucher vertrauen, was es in dieser Form in Deutschland nicht gibt. Für 27 Prozent der US-Amerikaner stellt dies einen Kaufgrund dar, auf bewährte Fresh-Cut-Marken zurückzugreifen. Ein weiterer Erfolgsfaktor seien zudem sogenannte "Health Claims", das heißt, dass besonders die Gesundheitsaspekte in den Vordergrund gehoben, gezielt platziert und beworben werden.
"Der LEH in den USA hat es geschafft, gezielt auf Gesundheitstrends zu setzen und diese in der Vermarktung einzusetzen. Hierzu gehören auch strategische Partnerschaften, die sich anhand von Produktkombinationen darstellen lassen", so Singh. Gemeint sind damit, dass nicht nur Monomarken beworben werden, sondern ganze Mahlzeiten angeboten werden wie zum Beispiel Gemüse mit Nüssen, Getreide, etc., wodurch auch ausgewogene Mahlzeiten angeboten können. "Alle Vorteile werden vorne auf der Verpackung abgedruckt und entsprechend vermarktet."
Ferner habe der US-Markt es geschafft, verschiedene Interessengruppen anzusprechen, etwa durch den Einsatz von verschiedenen Verpackungen, wodurch das Portfolio auf Mehrpersonenhaushalte wie etwa Familien ausgeweitet werden könne. "Durch den Einsatz von größeren Verpackungen kann auch der Plastikeinsatz reduziert werden im Verhältnis zum Volumen der Ware. Fresh-Cut-Produkte schaffen es außerdem, verschiedene Anlässe abzudecken, etwa als Snack für zwischendurch, als kleine eigenständige Mahlzeiten, für gesellschaftliche Anlässe wie Partys, als Basis für selbst gekochte als auch vollwertige (warme) Mahlzeiten.
Gelegenheiten für den deutschen Markt sieht Singh derweil darin, den Konsumenten Vorteile zu kommunizieren, etwa beim Thema Zeitersparnis. Besonders auch für den Bio-Bereich gibt es eine gute Gelegenheit hierbei für die eine oder andere Produktgruppe. Die Verkaufskanäle sind beispielsweise: Schulen, Kitas, Tankstellen/Raststätten, E-Commerece und Convenience Shops.
Beispiel für Fresh-Cut-Äpfel bzw. Apfelschnitten
Den Ergebnissen einer Kundenbefragung von Food Freshly zufolge werden 60-70% der Fresh-Cut-Waren nicht etwa an den LEH, sondern an Schulen verteilt. Die Zahlen für Schnellrestaurant-Ketten wurden hierbei jedoch ausgenommen. Laut einer weiteren Statistik werden 5 Prozent der in den USA verkauften Äpfel als Apfelschnitten verarbeitet, die für den direkten Verzehr verarbeitet werden, so Singh. "Das entspricht etwa 100.000 Tonnen pro Jahr, wovon 30.000 Tonnen allein an die Schulen gehen."
Frische Apfelspalten werden dabei in 2-5 kg Beuteln mit beliebten Sorten wie Gala, Jonagold, Granny Smith, etc. verpackt und sind gekühlt 14-21 Tage lagerfähig. "Sie zeichnen sich durch einen natürlichen Geschmack und einen hohen Vitamingehalt aus, was auch entsprechend beworben wird", sagt Singh. Ferner zeige sich, dass der Konsum von Äpfeln durch die flächendeckende Versorgung mit Fresh-Cut-Äpfeln merklich gestiegen sei: "Studien von einigen US-Universitäten belegen, dass Schülerinnen und Schüler in den USA zuvor 96g Äpfeln konsumierten, während nach der Einführung von Fresh-Cut-Äpfeln der Konsum bei 238g pro Tag liegt."
Alberto Labrado (Food Freshly), Benjamin Singh und Jakub Jakubowski (BDC GmbH) auf dem European Convenience Forum
Fresh-Cut als eigener Forschungszweig
Singh erläutert, dass der dortige Markt es schaffe, sich ständig neuen Trends, vor allem Gesundheitstrends zu widmen und dies mit ansprechenden Verpackungsdesigns zu kommunizieren. "Durch staatliche Förderungen werden Fresh-Cut-Äpfel zudem so gut wie an allen High Schools verteilt, was eben einem enormen Absatzmarkt entspricht. Seit über zehn Jahren werden Apfelschnitten in fast allen High Schools angeboten. Es hat sich zu einer riesigen Industrie entwickelt", weiß Singh. Das zeige sich auch daran, dass mittlerweile größere Unternehmen mit 50-100 Mitarbeitern sich primär in diesem Feld bewegten.
Sehr starke Unterstützung erhalte die Branche aber auch durch Lobbyarbeit von Gruppen wie der International Fresh Produce Association (IFPA). Davon abgesehen werde aber auch die Forschung in diesem Bereich durch eigene Studiengänge vorangetrieben, wie etwa an der University of California, in Davis, und der Louisiana State University.
Angesichts der großen Distanzen, die in den USA zum Teil zurückgelegt werden müssen, ist der Einsatz von Zusatzstoffen unvermeidbar. Rechtlich gesehen dürfen in Europa exakt elf Zusatzstoffe zur Verarbeitung von Fresh-Cut-Produkten verwendet werden, ausgenommen sind hierbei Kartoffeln und Meerrettich, während in den USA über 200 Zusatzstoffen eingesetzt werden dürfen. Besonders Verarbeitungshilfsstoffe und Desinfektionsmittel dürfen allerdings eingesetzt werden, weshalb das MHD dementsprechend hoch angesetzt ist.
Weitere Informationen:
Benjamin Singh
Food Freshly AFC GmbH
Morgenbreede 1
33615 Bielefeld
Telefon:+49 521 96 87 87 0
Email: [email protected]
https://www.food-freshly.eu/