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Thomas Lehmann (Märkte Stuttgart GmbH): "Wir brauchen nicht nur digitale Welten, sondern auch Obst- und Gemüsebetriebe"

Ein klares Commitment für den Großmarkt vonseiten der Stadt Stuttgart

"Es wurde uns ein klares Commitment für den Großmarkt vonseiten der Stadt Stuttgart kommuniziert. Das bedeutet, dass wir als Teil der kritischen Infrastruktur im langfristigen Planungs- und Entwicklungsszenario weiterhin als Großmarkt festgelegt und ebenfalls im Flächennutzungsplan als Großmarkt fixiert sind", teilt uns Thomas Lehmann vor Ort mit. Er ist seit 2018 Geschäftsführer der Märkte Stuttgart GmbH. "Geografisch gesehen wären Spekulationen um Wohnungsbau auf diesem Gelände sinnlos. Denn während sich auf der einen Seite der Gleisverkehr befindet, findet man auf der anderen Seite die Bundesstraße."


Thomas Lehmann

Besserer Wochenmarktumsatz als 2019
Seit rund 65 Jahren versorgt der Großmarkt Stuttgart in einem Umkreis von 300 km Wochenmärkte, Lebensmittelgeschäfte und weitere Abnehmer. "Einige Erzeuger, die ihre Ware in der Gemüsegroßmarkthalle verkaufen, vermarkten diese auch auf den Wochenmärkten, für die wir ebenfalls zuständig sind, wobei viele der Landwirte zusätzlich einen eigenen Hofladen betreuen." Während der Pandemie hätten die Wochenmärkte einen Boom erlebt, der zwar wieder nachgelassen habe, wobei die aktuellen Zahlen immer noch besser seien als 2019. "Unsere europäischen Nachbarn zeigen ebenfalls, dass Wochenmärkte eine wichtige Quelle für frische regionale Lebensmittel sind."

Zudem spreche die Angebotsvielfalt für sich. "Die einzelnen Firmen arbeiten mit verschiedenen Produzenten zusammen, sodass immer wieder neue Produkte auf den Markt kommen. Die Vielfalt spiegelt sich dann auch im Angebot der Stadt selbst wider, nicht zuletzt in den Gastronomiebetrieben, die ihre Ware bei den Marktfirmen einkaufen."

Personal dringend gesucht
Eine weiterhin schwer zu lösende Aufgabe stelle am Großmarkt der Personalmangel dar. "Jeder Betrieb sucht dringend nach Mitarbeitern, Fachkräften, Lkw-Fahrern etc. Von den Lkw-Fahrern hat man während Corona weniger beschäftigt. Viele haben sich umorientiert. Hinzu kommt, dass einige der Lkw-Fahrer aus der Ukraine und Russland stammten. Die fehlen angesichts des Krieges."

Ähnlich sei die Situation auch bei der Lagerarbeit. "Menschen aus Bulgarien und Rumänien, die in Deutschland beschäftigt waren, verdienen ihr Geld mittlerweile direkt in ihren Heimatländern. In der Coronakrise sind diese Arbeitskräfte vermehrt in die Heimat zurückgekehrt und kommen so schnell auch nicht mehr wieder."

Flächen komplett vermietet
Die Flächen des Großmarkts sind Lehmann zufolge zu 100 Prozent vermietet. "Wir haben um die 150 Betriebe auf dem Gelände. Dass da mal einer geht, kommt selten vor, abgesehen von altersbedingten Betriebsaufgaben. Jeder Quadratmeter, der an uns zurückkommt, wird auch umgehend wieder vermietet. Es besteht der Bedarf an mehreren 10.000 qm. Immer wieder kommen Anfragen von außen. Allerdings sind die Flächen dann meist schon intern vergeben."

Die Grundfläche des Großmarktes beträgt etwa 200.000 qm. "Zudem verfügen wir über größere Fotovoltaikanlagen auf den Dächern, die eine Gesamtleistung von 1.900 kWp haben. Die Fotovoltaik-Flächen werden erweitert, wir konzentrieren uns zurzeit aber nur auf den Eigenbedarf. Stromkosten sind nach wie vor ein großes Thema, gerade auch was die Kühlanlagen betrifft."


Thomas Lehmann beim Unternehmen Süzen auf dem Stuttgarter Großmarkt

Stagnation im Bio-Bereich
Für eine Weile sei ein deutlicher Anstieg von Bio-Produkten zu verzeichnen gewesen. "Momentan stagniert die Nachfrage bedauerlicherweise", so Lehmann. "Vermutlich liegt das am hohen Preisunterschied zur konventionellen Ware. Zudem merken wir, dass die Qualität der Importware etwas nachlässt. Die qualitativ hochwertigen Produkte werden eher im Erzeugerland, also in Frankreich, Spanien und Italien selbst verkauft, während die restliche Ware in anderen europäischen Ländern vermarktet wird. Ich hoffe, dass dieser Trend wieder zurückgeht."

Dürre bedroht Versorgungssicherheit
In manchen Regionen Italiens und Südeuropas habe es seit über 110 Tagen nicht geregnet. Auch in Deutschland gäbe es immer längere Dürreperioden. "Wasser ist mittlerweile ein knappes und teures Gut geworden. Wenn man qualitativ hochwertige Produkte kaufen möchte, wird man sich auf höhere Preise einstellen müssen. Das ist in Ländern wie Frankreich aber selbstverständlich. Diese Einstellung sollte sich auch in Deutschland wieder etablieren", plädiert Lehmann.

"Ansonsten wird die Selbstversorgungsquote in Deutschland nicht ansteigen. Sobald eine große Dürre in den großen Erzeugerländern wie etwa Spanien, Italien, Griechenland und Frankreich etc. eintritt, müssten wir in Deutschland wieder mehr selbst anbauen, ansonsten geraten wir in ein Versorgungsproblem. Italien zum Beispiel liefert circa die Hälfte seiner Gesamtproduktion ins europäische Ausland, wozu auch Deutschland zählt. Wenn Norditalien aber weiterhin mit den Problemen der Dürre zu kämpfen hat, dann wird es auch bei uns enger."

"Nicht nur digitale Welten, sondern auch Betriebe, die Obst und Gemüse anbauen"
Hierfür sei es auch wichtig, dass die Verbraucher ein besseres Bewusstsein für Produkte aus Deutschland erhalten und auch bereit sein müssten, mehr zu bezahlen. "Die Politik muss solche Themen besser fördern. Wenn ein junger Mensch beispielsweise sich dazu entscheidet, einen Obst- und Gemüsebetrieb zu eröffnen, müsste er, sofern keine Erbfolge besteht, einen Betrieb von jemanden erwerben, wobei er keinerlei sinnvolle Förderung dafür erhält. Als Start-up-Unternehmen zum Beispiel im Bereich Digitalisierung, wird man so stark gefördert, dass man quasi nicht mehr weiß, wohin mit dem Geld", bedauert Lehmann. "Wir brauchen nicht nur eine digitale Welt, sondern auch Betriebe, die Obst und Gemüse anbauen."

In diesem Zusammenhang seien die Großmärkte ein wichtiges Element des Versorgungsnetzes. "Hier können die Waren der Erzeuger gebündelt werden und an die unterschiedlichen Abnehmergruppen verteilt werden. Das Wichtigste sei es, in Deutschland den Selbstversorgungsgrad anzuheben, so Lehmann. "Damit meine ich, dass es natürlich auch wichtig ist, Pflanzen für Biokraftstoffe anzubauen, ebenso wichtig ist es aber, Obst und Gemüse für die Bevölkerung in Deutschland zu produzieren. Hierfür müssen wir mehr Ressourcen und Potenziale investieren und nutzen. Am Ende liegt es aber auch an den Konsumenten, mehr zu bezahlen und die Wertschätzung für die regionale Ware zu fördern."

Mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir traf sich der Bundesverband GFI Deutsche Frischemärkte e.V. (GFI) - bei dem Lehmann Vorstandsmitglied ist - bereits, um sich Gehör zu verschaffen. "Es wird auch mehrere Treffen geben, etwa im nächsten Jahr auf der Fruit Logistica. Es bewegt sich etwas, wir müssen aber weiter an mehr Sichtbarkeit der Großmärkte arbeiten und ihre wichtige Rolle bei der Ernährungssicherheit herausstellen."

Weitere Informationen:
Thomas Lehmann
Märkte Stuttgart GmbH
Langwiesenweg 30
70327 Stuttgart
T +49 711 48041 0
F +49 711 48041 444
[email protected]
https://www.grossmarkt-stuttgart.de