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Thomas Herkenrath, Präsident des DKHV:

"Wir steuern erneut auf ein herausforderndes Kartoffeljahr zu"

Verspätete Pflanz- und Rodetermine sowie Staunässe auf den heimischen Feldern, Engpässe bei Importware und nicht zuletzt die inflationsbedingten Kostensteigerungen - aufgrund der erschwerten Rahmenbedingungen war 2023 in vielerlei Hinsicht ein herausforderndes Kartoffeljahr. Und auch im neuen Jahr zeichnen sich bereits einige Herausforderungen ab, wie uns Thomas Herkenrath, Präsident des Deutschen Kartoffelhandelsverbandes DKHV e. V. und Geschäftsführer des Neusser Handelsunternehmens Fritz Jungnickel GmbH & Co. KG, auf Anfrage mitteilt.

Der Übergang von der alt- zur neuerntigen Ware verlief 2023 anders, als man es gewohnt ist. "Speziell in Spanien stand früh fest, dass trockenheitsbedingt weniger Exportvolumen zur Verfügung stehen wird, weshalb eine große Nachfrage nach Waren aus Ägypten sowie Israel entstand, die wiederum zuverlässig und in den bedarfsgerechten Mengen geliefert werden konnten. Die spanische Ware traf daraufhin auf einen aufgeräumten Markt, da die heimischen Kühllager entsprechend leer waren. Dies hat wiederum zur Folge gehabt, dass für die spanische Importware entsprechende Preise erzielt werden konnten." Währenddessen kam auch die deutsche Kartoffelernte mit der Vermarktung erster losschaliger Ware, etwa aus der Pfalz, in Schwung. "Der ganz frühe Markt litt bereits unter dem Niederschlag. Zudem wurde in den frühen Gebieten weniger angebaut. Dies führte dazu, dass die erste festschalige Ware aus deutschem Anbau auf einen aufgeräumten Markt stieß. Ein für die Landwirte auskömmliches Preisniveau konnte bis dato gehalten werden", so Herkenrath, der ebenfalls auf die weitgehend geräumten Flächenlager und den damit verbundenen Kisten Kühlhauszuschlag hinweist.


Thomas Herkenrath beim vom DKHV veranstalteten Kartoffelabend 2023. Auch in diesem Jahr findet die Fachveranstaltung wie gewohnt am Vorabend zur Fruit Logistica in Berlin statt. Hier geht es zur Anmeldung.

Trotz Inflation und Preissteigerungen sei die Nachfrage seit Beginn der Saison recht hoch und stabil gewesen, fährt Herkenrath fort. Zu Beginn der deutschen Speisefrühkartoffelsaison habe es einen leichten Nachfragerückgang gegeben. "Die hohen Preise der spanischen und ägyptischen Ware wurden vonseiten der Verbraucher noch akzeptiert. Als dann die deutschen Frühkartoffeln ebenfalls zu hohen Preisen angeboten wurden, machte sich die Kaufzurückhaltung, auch bedingt durch die Ferienzeit und Sommerhitze, etwas bemerkbar. Die größten Umsatzrückgänge wurden jedoch leider im Bereich der Bio-Kartoffeln verzeichnet, was ganz klar auf die erhöhte Preissensibilität der Konsumenten durch Inflation und andere Unsicherheiten zurückzuführen ist. Mittlerweile haben sich die Umsätze im Bio-Sektor wieder einigermaßen erholt. Dennoch wird es meines Erachtens auch im weiteren Saisonverlauf eine Herausforderung, die Verbraucher bei den hohen Preisen zu überzeugen, Bio-Lebensmitteln zu kaufen."

Mangel an Pflanzkartoffeln
Zu Beginn des neuen Jahres traut sich Herkenrath auch bereits an eine erste, vorsichtige Prognose mit Bezug auf die neue Saison. "Aufgrund von Virusbelastung und dergleichen haben wir massive Schwierigkeiten Pflanzkartoffeln in den entsprechenden Mengen und Qualitäten zusammen zu bekommen. Derartige Knappheiten bei Pflanzkartoffeln habe ich in meiner Karriere noch nicht erlebt. Dies ist nicht nur der Witterung geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass generell weniger Pflanzkartoffeln angebaut worden sind. Dies bedeutet, dass jede Charge, die nicht zugelassen werden kann, momentan weh tut. Von daher erwarte ich, dass wir erneut auf ein schwieriges Jahr zusteuern. Am Ende werden wir die meisten Flächen wohl bepflanzen können. Die Frage ist nur, ob auch die Sorten gepflanzt werden, die man gerne haben möchte und ob die gewünschten Saatsortierungen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Wenn wir das gesamte Sortenspektrum flächendeckend liefern wollen, werden wir ebenfalls Übergrößen und Drillinge vermarkten müssen."


Lückenhafter Feldaufgang

Verschiebungen im Kartoffelexport und -Import
Neben der Belieferung des Inlandsmarktes geht ein erheblicher Teil der deutschen Speisekartoffeln in den Export ins europäische Ausland. Herkenrath: "Wir sehen eine erfreuliche Marktlage im Exportgeschehen. Insbesondere Spezialsortierungen, etwa Drillinge, sind zurzeit gesucht. Die Frage ist nun, ob die dort benötigten Mengen wirklich nicht zur Verfügung stehen oder ob hier und da die Bauern noch Ware zurückhalten und auf Preiserhöhungen spekulieren. Längerfristig sehen wir z. B. in Spanien den Trend, dass dort nicht nur auf französische Importe zurückgegriffen wird, sondern auch auf Ware aus anderen Kartoffelanbauländern."

Umgekehrt tätigt der deutsche Markt jedes Jahr ergänzende Importe, etwa aus Spanien, Ägypten sowie Israel. "Während der Fruit Attraction in Madrid im Oktober war die Situation in den südspanischen Wasserspeichern bereits äußerst kritisch. In letzter Zeit hat es zwar stellenweise Niederschläge gegeben und es soll hoffentlich noch mehr Regen kommen, aber dies wird bei Weitem nicht genug sein, um die Speicher wieder zu füllen. Obwohl die Kartoffel im Vergleich zu anderen Feldfrüchten einen relativ geringen Wasserbedarf hat, wird die Verfügbarkeit von Wasser den Kartoffelanbau auf der iberischen Halbinsel gegebenenfalls neu strukturieren." Hier gibt es Herkenrath zufolge jedoch einen Interessenkonflikt, in dem auch der Kartoffelanbau für den Inlandsmarkt in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen habe. "Der spanische LEH setzt seit einigen Jahren vermehrt auf Regionalität, was zum erhöhten Selbstversorgungsgrad bei heimischen Frühkartoffeln und zu einem entsprechenden geringeren Bedarf an alterntiger Importware beigetragen hat."


Modernes Kistenkühllager

Preiswertes und sicheres Lebensmittel
In den letzten Jahren habe es in der deutschen Kartoffelbranche einen enormen Investitionsschub gegeben, so Herkenrath, der im April letzten Jahres einstimmig im Amt des DKHV-Präsidenten bestätigt wurde. "Der Mechanisierungsgrad ist inzwischen sehr hoch. Es sind enorme Kühllagerkapazitäten gebaut worden, um den hohen Qualitätsstandards auch in Zukunft entsprechend gerecht werden zu können."

Seitens des Konsums sieht er keine gravierenden Trendänderungen. "Der Markt tendiert weiterhin zu vorgefertigten Convenience-Produkten, gleichzeitig bleibt der Konsum frischer Speisekartoffeln aber auch nahezu stabil." Gerade zu Inflationszeiten schneidet die frische Kartoffel besonders gut ab. "Sie gilt immer noch als sicheres, leckeres und vor allem preiswertes Lebensmittel. Zudem entspricht sie auch dem Konsumentenwunsch hin zu mehr Nachhaltigkeit, da der Anbau mit einem geringen Wasserverbrauch einhergeht und kurze Transportwege für echte Regionalität sorgen. Mit der Kartoffel Marketing-Gesellschaft (KMG) und bundesweiten Kampagnen wie 'Kids an die Knolle' ist es uns gelungen, auch den jüngeren Verbrauchern diese Vielseitigkeit näherzubringen."


Wasserschäden im Feld.

Bilder: Thomas Herkenrath

Weitere Informationen:
Thomas Herkenrath
Deutscher Kartoffelhandelsverband DKHV e.V.
Tel.: +49-2131-56856-13
[email protected]
https://dkhv.org/