"Durch die frühe Blüte ist auch die Kirschenernte in diesem Jahr besonders früh", erläutert Claus Schliecker, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau im Landvolk Niedersachsen. Er und seine Berufskollegen investieren rund 120.000 Euro je Hektar in die Überdachung der Kirschbäume mit Folien gegen Regen und Netzen gegen Vögel und Schadinsekten. Obwohl dadurch ein geringerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nötig ist, summiert sich der Aufwand der Altländer Obstbauern zusammen mit erhöhten Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro pro Stunde zu einem stattlichen Betrag. Nach jeder Ernte wird es sorgfältig eingerollt und vor UV-Licht geschützt eingewintert, um im nächsten Jahr – etwa vier bis fünf Wochen vor der Ernte – wieder ausgerollt zu werden. "Verlässlicher Kirschenanbau ist nur unter Dächern möglich", sagt der Obstbauer. Bei Regen würden sich die Kirschen andernfalls mit Wasser vollsaugen, um einen Konzentrationsausgleich mit dem süßen Saft im Inneren herbeizuführen und schließlich platzen.
"Wir haben in Deutschland einen geringen Selbstversorgungsgrad bei Obst, weil der Anbau so teuer ist", bedauert Schliecker. Im Alten Land stagniere daher seit Jahren die Kirschenanbaufläche bei etwa 500 Hektar. Vorherrschend ist dabei immer noch die bewährte und im Alten Land gezüchtete Kirschensorte Regina. "Sie ist perfekt an unser Klima angepasst, und daher werden alle neuen Züchtungen an ihr gemessen", sagt Schliecker. Auf ihre Früchte lohne sich das Warten. "Wie beim Spargel steigt die Wertschätzung, wenn Kirschen nicht das ganze Jahr über im Angebot sind", lautet seine Erfahrung.
Üppige Kirschenernte in Baden-Württemberg erwartet
Trotz Starkregen und Frost könnte die diesjährige Kirschernte in Baden-Württemberg deutlich besser ausfallen als in den Vorjahren. Das ergeben erste Schätzungen der Ernteberichterstatter des Statistischen Landesamtes. "Obwohl es in der Blütezeit Frost gab und im weiteren Verlauf Starkregenfälle dazukamen, fallen die ersten Schätzungen weitgehend positiv aus", teilte die Behörde am Montag in Fellbach mit.
Bei Süßkirschen rechnen die Statistiker demnach aktuell mit einem durchschnittlichen Ertrag von knapp 8,3 Tonnen je Hektar. Das wären etwa 56 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Im Vergleich zum sechsjährigen Mittel betrage das Plus rund ein Fünftel. Rechnerisch ergebe sich daraus eine Erntemenge von voraussichtlich rund 21.000 Tonnen.
Thüringen: Geringste Erntemenge seit über 20 Jahren
Mehr als zwei Drittel der Kirschernte in Thüringen ist in diesem Jahr einer kalten Nacht Ende April zum Opfer gefallen. "Eine vergleichbar geringe Kirschernte gab es zuletzt im Jahr 2002", erklärte das Statistische Landesamt am Montag nach Vorlage einer Ertragsprognose in Erfurt der dpa. Bei Süßkirschen werde ein Hektarertrag von nur 1,8 Tonnen erwartet. Das seien etwa 70 Prozent weniger als 2023 und im langjährigen Mittel. Bei Sauerkirschen liege der prognostizierte Ertrag bei 3,6 Tonnen je Hektar - ein Minus von mehr als 62 Prozent. Das Agrarministerium kündigte den Anbaubetrieben, bei denen nach Angaben ihrer Interessenvertretung sonst Insolvenzen drohen, eine Soforthilfe an.