Vier niederländische Champignonzüchter bündelten 2009 ihre Kräfte und zogen nach Wankum in Deutschland, nur einen Steinwurf von der niederländischen Grenze entfernt. "Wir hatten im Nachhinein echt Glück im Unglück, dass es keinen geeigneten Standort in den Niederlanden gab", lacht Paul van den Berg, Mitgründer und einer von vier Geschäftspartnern, genau 15 Jahre später. Auf einem rund sechs Hektar großen Areal, von dem heute etwa die Hälfte genutzt wird, entstand aus dem Nichts ein moderner Zuchtbetrieb mit dem einlagigen Anbausystem als absoluter Hingucker. Mit der Übernahme des Handelsunternehmens Willeke Champignon im Jahr 2017 erlebte das Unternehmen einen Wachstumsschub. Somit bedient man den nordrhein-westfälischen Einzelhandel heutzutage mit einem Vollsortiment an Champignons aus eigenem Anbau sowie zugekauften Exoten und Bio-Champignons.
Einblick in eine frisch bestückte Zuchtzelle
Jeder Mitgründer hatte 2009 bereits einen eigenen Betrieb und man verfügte somit neben einem breiten Abnehmernetzwerk am niederländischen Inlandsmarkt ebenfalls über eine Handvoll Abnehmer in Deutschland. "Wir standen immer wieder vor dem Problem, dass der deutsche LEH möglichst lokale Produkte anbieten möchte. Außerdem wollten wir großzügig innovieren. Jeder Pilzzüchter weiß, dass die oberen Beete am leichtesten zu ernten sind, was uns auf die Idee eines einlagigen Anbausystems brachte, welches damals in der Branche völlig neu war. Nach einem erfolgreichen Versuch auf dem Betrieb von Marcel Hanenberg (einem der Partner, Anm. d. Red.) haben wir uns dafür entschieden, unsere ambitionierten Ziele gemeinsam zu verwirklichen, woraufhin schnell klar wurde, dass ein Bauareal in dem Umfang in den Niederlanden kaum zu finden war. So stießen wir letztendlich auf diesen Standort in Wankum", erinnert sich Van den Berg.
Paul van den Berg und Jan Tielemans führen den niederrheinischen Zuchtbetrieb gemeinsam mit zwei weiteren Gesellschaftern.
Die ersten Champignons wurden im November 2009 geerntet, doch die einlagige Champignonzucht brachte zunächst einige Kinderkrankheiten mit sich. Van den Berg: "Die Klimatisierung war anfangs eine große Herausforderung, vor allem weiße Champignons sind besonders empfindlich. Wir konnten dieses Problem lösen, indem wir ein Kühldeck unter den Beeten installierten. Durch punktgenaues Kühlen und Heizen können wir in vier Wochen zwei Erntesätze pro Zelle realisieren, während wir normalerweise etwa 4,5 Wochen pro Zyklus benötigen. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir im Vergleich zu herkömmlichen Anbausystemen etwa zehn Kilo weniger Kompost pro m² benötigen, was uns in diesen Zeiten der steigenden Rohstoffpreise besonders zugutekommt. Darüber hinaus arbeiten wir seit etwa zehn Jahren mit einem Bewässerungssystem aus dem Hause Netafim. Dies trägt maßgeblich dazu bei, dass die Deckerde auch während des zweiten Satzes feucht bleibt, was letztendlich der Qualität der Champignons zugutekommt. Alles in allem haben wir das Rad zum wesentlichen Teil selbst erfinden müssen und dabei Verfahren aus verschiedenen Bereichen der Landwirtschaft verwendet. So stammt das Kühldeck ursprünglich aus der Viehzucht, während das Netafim-System vor allem im Gartenbau zum Einsatz kommt." Kürzlich wurde unter der Leitung des Spezialisten und Mitgesellschafters Jan Tielemans das SAP-Softwaresystem in nur drei Monaten implementiert, was ebenfalls eine erhebliche Effizienzsteigerung ermöglichte. Tielemans dazu: "Bei den relativ niedrigen Margen in unserer Branche, ist es zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit heutzutage essenziell, ein Höchstmaß an Effizienz innerhalb des Unternehmens anzustreben."
Durch das in der Pilzzucht einzigartige einlagige Anbauverfahren hat das Team der Wankum Champignons ein komplett eigenes Zuchtsystem entwickeln müssen. Es kommt dabei unter anderem ein Netafim-Bewässerungsverfahren zum Einsatz, weshalb die Deckerde feucht bleibt, was wiederum der Qualität der Champignons zugutekommt. Zur optimalen Kühlung und Durchlüftung wird ein spezielles Deckvlies unter den Beeten angebracht.
Neue Vermarktungsstrukturen
Neben einem wachsenden Anbaubetrieb verfügt die Muttergesellschaft WhiteFields seit 2017 auch über einen eigenen Handelszweig. "Mangels Nachfolge ergab sich die Möglichkeit, die Firma Willeke Champignon GmbH in Duisburg inklusive Mitarbeiter und Kundenstamm zu übernehmen. Dies war für uns ein logischer Schritt, da wir sie bereits seit Jahren als Dienstleister in Sachen Verpackung und Logistik unterstützt haben. Das Einzige, was uns noch fehlte, war der direkte Kontakt zum Abnehmer", sagt Tielemans. Seitdem offeriert man den Einzelhandelskunden neben Champignons aus eigenem Anbau ebenfalls zugekaufte Bio-Champignons und Edelpilze, insbesondere Austernpilze und Eringii. "Aus logistischer Sicht ist es für den Einzelhandel durchaus viel effizienter, sämtliche Pilzprodukte aus einer Hand zu beziehen. Dies hat unsere Absatzstruktur jedoch grundlegend verändert, indem wir wesentlich mehr verpacken als vorher und auch einen größeren Lagerbestand führen müssen. Im Zuge dessen stoßen wir nun bereits an unsere Kapazitätsgrenzen, weshalb wir im nächsten Jahr einen Erweiterungsneubau durchführen wollen."
Einblick in die Pflückarbeit: Der Champignonabsatz sei in der Regel über das gesamte Jahr hinweg relativ stabil, mit einer traditionellen Sommeflaute, gefolgt von einem allmählichen Anstieg, der zu Weihnachten seinen Höhepunkt erreicht. Die Abverkäufe seien nach zwei harten Inflationsjahren wieder einigermaßen kalkulierbarer geworden.
Im Gegensatz zu Champignons sei der Handel mit exotischen Pilzen eher saisonabhängig, betont Van den Berg. "Die Nachfrage nach Austernpilzen ist im Sommer traditionell verhalten, stattdessen ist der weiße Riesenchampignon in diesem Zeitraum ein beliebter Aktionsartikel. Dieser wird im deutschen LEH überwiegend als Grillpilz vermarktet. Trotz des vergangenen, eher nasskalten Sommers war die Nachfrage nach diesem Artikel gar nicht mal so gering. Im Gegenteil: Bis weit in den Oktober hinein führten gewisse LEH-Ketten noch Werbeaktionen durch, und eine erneute Verlängerung für das nächste Jahr ist bereits angekündigt. Übrigens geht der erhöhte Bedarf an diesem Produkt bei uns auch nicht zu Lasten des Standardsortiments, etwa kleine oder mittelgroße Champignons, sondern es kommt oben auf den regulären Absatz drauf."
Unabhängig davon liegen Champignons eindeutig im Trend, fügt Tielemans hinzu. "Wir haben offensichtlich ein Produkt, das den Ernährungswünschen junger Menschen entspricht, nicht nur als Fleischersatz, sondern als Bestandteil zahlreicher Rezepte. Dabei verzeichnet der braune Champignon weiterhin allmähliche Zuwächse. Als wir anfingen, widmeten wir uns ausschließlich der Zucht weißer Champignons. Zudem bestand etwa drei Viertel der regionalen Ernte aus weißen Champignons. Seitdem hat sich einiges getan und wir sind in unserer Region bei einem geschätzten Anteil von etwa 55 Prozent weißen und 45 Prozent braunen Pilzen."
Die braune Portabella sei zwar ein Nischenprodukt, sei aber besonders einfach zu züchten und zu vermarkten.
Herausforderungen im Champignonsektor
Der Pilzanbau steht bekanntlich vor vielen Herausforderungen, darunter dem prekären Personalmangel. Van den Berg: "Dies trifft uns zum Glück weniger. Im Vergleich zu anderen Branchen, wie dem Unterglas- oder Freilandanbau, bieten wir natürlich eine interessante Alternative mit festen Arbeitsverträgen und einer ganzjährigen Beschäftigung. Ein ausschlaggebender Faktor mit Blick auf die Zukunft ist ebenfalls der Torfersatz: Bis dato setzen wir immer noch in großem Umfang torfbasierte Deckerde ein und ich sehe kurzfristig keine solide Alternative." Gleiches gelte für die Thematik der Verpackung, ergänzt Tielemans. "Erfahrungsgemäß ergeben sich immer wieder neue Lösungen, da es sich schließlich um Herausforderungen handelt, mit denen die gesamte Branche konfrontiert wird. Insofern blicken wir der Zukunft zuversichtlich entgegen."
Braune Champignons kurz vor der Ernte. Circa 20 bis 22 Tonnen werden pro Satz geerntet.
Paul van den Berg zeigt abgepackte Champignons für den regionalen LEH. Das Gros der Champignons wird in 400g-Schalen verpackt. Bei Aktionen hingegen wird vermehrt auf 250g-Einheiten gesetzt, um unter der psychologischen 1-Euro-Grenze zu bleiben.
Weitere Informationen:
Paul van den Berg & Jan Tielemans
Wankum Champignons GmbH /
Willeke Champignon GmbH
Schievewallweg 147669
Wankum-Wachtendonk
Tel: +49 (0)2836 6914994
[email protected]
www.wankum-champignons.de